Multiple Sklerose Ausarbeitung

MS – Dokumentation…

Diese Doku war ein Unterrichtskomzept von meiner Frau, ich habe die Informationen ergänzt und fortgeschrieben. 05.12.20015


Polysklerose, Encephalomyelitis disseminata, Sclerosis multiplex, Multiple Sklerose

Die Multiple Sklerose (MS) ist die häufigste neurologische Erkrankung des jungen Erwachsenenalters. Sie befällt weltweit circa 2 Millionen Menschen. In Deutschland rechnet man mit bis zu 200.000 Erkrankten.
Die MS gehört in die Gruppe der entzündlichen Entmarkungserkrankungen und ist charakterisiert durch perivenöse Entzündungen und großflächige, disseminierte, primäre Entmarkungsherde mit reaktiver Gliose. Sie ist eine der schwersten organischen Erkrankungen des zentralen Nervensystems. Schon aufgrund dieser Tatsache, nicht zuletzt aber wegen ihrer bisher noch immer ungeklärten Ätiopathogenese hat sie sich zu einem wesentlichen Gegenstand der neurologischen Forschung entwickelt.

Zur historischen Entwicklung der Forschung

Früheste Hinweise finden sich erst zu Beginn des 18ten Jahrhunderts. Augustus Frederick d’Este (1794 – 1848), Sohn des Herzogs August Friedrich von Sussex, beklagt ab 1822 mehrfach Symptome, die retrospektiv mit großer Wahrscheinlichkeit einer MS zugeordnet werden können und gibt damit den ersten überlieferten Fallbericht der Erkrankung.
Nachdem er der Beerdigung eines nahen Bekannten beigewohnt hatte, erkrankte er plötzlich mit Sehstörungen. “Soon after (…) and without any thing having be done to my eyes, they completely recovered their strength and distinctness of vision.” Fünf Jahre später traten während er in Florenz war, Lähmungen der Beine auf: “I remained in this extreme state of weakness for about 21 days, during which period I fell down about 5 times (never fainting) from my legs not being strong enough to carry my body.” In den folgenden Jahren sprach er von “very violent pains” oder “that my making water is attended with difficulty”. Im folgenden befaßten sich diverse Gelehrte zunächst mit der Beschreibung dieser Erkrankung , später auch mit der Theorie ihrer Entstehung. Und leider muß man sagen, daß man sich heute immer noch auf der spekultativen Ebene befindet.


Theorien zur Entstehung der MS
 
Die Erstbeschreibungen des Krankheitsbildes stammen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts (1835 Cruveilhier, 1838 Carswell). Die frühen Autoren beschränkten sich tatsächlich (oder zwangsläufig) auf die Beschreibung dieser “rätselhaften” Krankheit. Nach der Phase der reinen Deskription rückt zu Beginn des 20, Jahrhunderts die Frage nach der Pathogenese der Erkrankung in den Vordergrund. Angeregt durch die These Marburgs (1906) über das Zustandekommen der Entmarkung durch ein aus den Gefäßen lokal diffundierendes “lezitholytisches Agens”, entstehen zwischen 1912 und 1940 zahlreiche die Äthiologie der Erkrankung betreffende Theorien, die heute größtenteils widerlegt sind. (Ausnahmen bilden die Arbeiten von Glanzmann (1927) und Rivers (1933), die der neuroallergischen Hypothese wertvolle Impulse gegeben haben.)
Marburgs “Toxintheorie” wurde über Jahrzehnte immer wieder verfolgt und erhielt besonderen Aufschwung durch die Arbeit von Baasch (1966), in der er die MS auf eine chronische Quecksilbervergiftung aus den Amalgamplomben der Zähne zurückführte. Allerdings wurde auch diese These widerlegt. Des weiteren waren zahlreiche andere Theorien über die Entstehung der MS im Gespräch und weckten jedesmal die Hoffnung der Betroffenen endlich über die Pathogenese auch zu einer kausalen Therapie zu gelangen. Die Theorie, die sich am längsten und auch noch bis heute gehalten hat, ist die, daß die MS in irgend einer Form eine Infektionskrankheit ist. Immer wieder kamen diverse Infektionsursachen ins Gespräch, die aber allesamt widerlegt wurden. Es waren, bzw. sind im Gespräch: Masern, (Hunde-) Staupe, die Erreger der Creutzfeld-Jakob-Krankheit etc. Faktoren histochemischer, virologischer, immunologischer, epidemiologischer sowie genetischer Art haben die klinischen Befunde ergänzt, vermögen aber nur einige Teilaspekte dieser rätselhaften Erkrankung zu beleuchten.
Das Wesen des selektiven Entmarkungsvorganges ist nach wie vor nicht erhellt worden. Gegenwärtigen Auffassungen zufolge ist die MS eine durch T-Lymphozyten vermittelte Autoimmunerkrankung bei der zusätzlich genetische und Umweltfaktoren eine wichtige Rolle spielen. Der Begriff “Autoimmunerkrankung” bedeutet hier, dass das körpereigene Immunsystem das Gehirn und Rückenmark als “Fremdkörper” erachtet und deswegen anfängt, den “Eindringling” zu zerstören.


Grundsätzlich sind von der MS deutlich mehr Frauen als Männer betroffen. Die weltweite Verbreitung der MS entspricht einem Nord-Süd-Gradienten bzw. in den von Weißen besiedelten Teilen der Südhalbkugel einem Süd-Nord-Gefälle. Es können Zonen mit hohem, mittlerem und niedrigem Erkrankungsrisiko unterschieden werden. Die höchsten Erkrankungsraten zeigen sich in Nordeuropa, Kanada und den nördlichen Staaten der USA. In Europa bildet der 46. Breitengrad und in den USA der 38. Breitengrad eine Grenze. Die Prävalenz beträgt nördlich von dieser Linie 30-60 und südlich nur 5-15 Erkrankungen/100 000 Einwohner. In einigen Studien werden in Deutschland Prävalenzraten von 80 bis 100/100 000 angenommen. Für Südniedersachsen und Südhessen ergaben sich Prävalenzraten um 80 bzw. 70. Die Erkrankungshäufigkeit wird immer geringer, je mehr man sich dem Äquator nähert. Die Prävalenz der MS in südlichen Breitengraden ist extrem gering. Sie liegt z.B. in Südafrika in der weißen Bevölkerung bei nur etwa 10 pro 100 000. 


Klinisches Krankheitsbild

Der Krankheitsverlauf der MS ist höchst variabel und im Einzelfall nur schwer vorhersagbar. Grundsätzlich unterscheidet man den * schubförmigen Verlauf sowie * die chronisch-progrediente Verschlechterung wobei Übergangsformen laut Rudick (et al.1997) existieren.

Schubförmiger Verlauf

Als Schub definiert man nach Ausschluß physiologischer Schwankungen akute, ohne assoziierte Infekte oder Fieber auftretende neurologische Ausfälle bzw. eine Verschlechterung vorbestehender Symptome, die mindestens 24 Stunden lang anhalten. Falls es innerhalb von 4 Wochen zu einer Häufung neuer Symptome kommt, rechnet man dies im allgemeinen immer noch zum selben Schub. Bei schubförmigen Verläufen kann es nach der Verschlechterung wieder * zur kompletten Rückbildung der Symptome kommen oder * nur eine Teilremission eintreten. Neuerdings wurde die “transitorische MS” als sogenannter Übergang zur progredienten Verlaufsform definiert.

Chronisch-progrediente MS

Die chronisch-progrediente MS zeichnet sich durch unterschiedlich rasch zunehmende Verschlechterung des neurologischen Befundes ohne Remmission aus. Definitionsgemäß wird bei dem chronisch-progredienten Verlauf eine kontinuierliche Verschlechterung der Symptome über mindestens 6 Monate hinweg gefordert. Diese kann sich im Anschluß an eine ursprünglich schubförmige Form der MS entwickeln, was bei 30 bis 50% der initial schubförmig verlaufenden Erkrankungsform innerhalb von 10 Jahren der Fall ist. Man spricht dann von einer sekundär chronisch-progredienten Form. Circa 5 bis 10% der MS-Patienten haben nie Schübe; die Erkrankung nimmt von Beginn an einen schleichenden, unaufhaltsam primär chronisch-progredienten Verlauf. Unabhängig von dieser Einteilung spricht man von einer sogenannten benignen MS, wenn die Patienten noch 15 Jahre nach Beginn der Erkrankung ohne wesentliche Einschränkungen im Alltag voll aktiv sein können. Demgegenüber ist die maligne Verlaufsform der MS durch einen rasch progredienten Verlauf gekennzeichnet, der in kurzer Zeit zu signifikanten Behinderungen des Patienten führt.


Poser- und Schumacher Kriterien

Schumacher hat 1965 wissenschaftliche Kriterien aufgestellt, nach denen die Diagnose MS zu stellen ist. Bei ihm ist entscheidend, daß die neurologische Untersuchung objektive Störungen in verschiedenen Bereichen des zentralen Nervensystems auf zeigt, wobei diese schubförmig oder (schleichend) chronisch-progredient aufgetreten sein können. Diese Diagnosekriterien stellen mmer nur Richtlinien dar und entbinden natürlich im Einzelfall nicht von der Pflicht, andere Erkrankungen mit ähnlicher Symptomatik und Ausprägung differentialdiagnostisch zu erörtern.
Die heutigen diagnostischen Möglichkeiten, nämlich Kernspintomographie, Elektrophysiologie und Liquoruntersuchungen erlauben es auf sog. “laborgestützter Basis” (“paraklinisch”) die Diagnose bereits früher zu stellen, was in den sogenannten Poser-Kriterien (Poser et al. 1983) Berücksichtigung findet. Vereinfacht kann man sagen, das durch einen positiven Kernspin- und/oder Liquorbefund die Notwendigkeit einer zweiten schubförmigen Verschlechterung entfällt und laborgestützt die Diagnose einer MS gestellt werden kann.

McDonald Kriterien
 
Ian McDonald hat in Zusammenarbeit mit einer internationalen Expertengruppe die bekannten Kriterien überarbeitet. Es gab neue Empfehlungen zu den aktuellen Diagnosemöglichkeiten und es wurde angestrebt diese in ein neues Schema zu integrieren. So wurden in 2001 die McDonald – Kriterien veröffentlich, die 2005 eine Revision erfahren haben auch heute der Standard sind.

linische Präsentation Zusätzliche Parameter, die für eine MS-Diagnose benötigt werden
* Zwei oder mehr Schübe
* Zwei oder mehr objektivierbare klinisch evidente Läsionen
Keine; klinische Evidenz ist ausreichend
??œ* Zwei oder mehr Schübe
* Eine objektivierbare klinisch evidente Läsion
Disseminierung im Raum, Nachweis durch:
* MRT
* oder ein positiver Liquorbefund plus zwei oder mehr MS-typische MRT-Läsionen
* oder Abwarten eines weiteren Schubes, der durch e???????? ?ine Läsion an einer anderen Lokalisation verursacht ist
* Ein Schub
* Zwei oder mehr objektivierbare klinisch evidente Läsionen
Disseminierung in der Zeit, Nachweis durch:
* MRT
* oder zweiten klinischen Schub
* Ein Schub * Eine objektivierbare klinisch evidente Läsion
(monosymptomatische Präsentation, klinisch isoliertes Syndrom)
Disseminierung im Raum, Nachweis durch:
* MRT
* oder positiver Liquorbefund plus zwei oder mehr MS-bedingte MRT-Läsionen
und
Disseminierung in der Zeit, Nachweis durch:
* MRT
* oder zweiten klinischen Schub
Schleichende neurologische Progression
(PP-MS)
Kontinuierliche klinische Progression (retrospektiv oder prospektiv bestimmt) über ein Jahr
und
zwei der folgenden Punkte treffen zu:
* positive MRT des Gehirns (neun T2-Läsionen oder vier oder mehr T2-Läsionen mit positivem VEP)
* positive MRT des Rückenmarks (zwei oder mehr T2-Läsionen)
* positiver Liquorbefund

Elektrophysiologische Zusatzdiagnostik

Für Routineuntersuchungen wird in neurophysiologischen Laboren eine begrenzte Zahl von sogenannten evozierten Potentialmessungen zur Verfügung gestellt, die als Hilfsuntersuchungen mit vertretbarem Aufwand und geringer Belastung für den Patienten zusätzliche Information liefern. Entscheidend ist dabei vor allem, klinisch stumme Läsionen aufzudecken, die sich dem direkten Nachweis der Untersuchung entziehen. Man spricht von afferent evozierten Potentialen weil es auf der Methode der automatischen Mittelwertbildung beruht, die vor etwa 40 Jahren entwickelt wurde und es ermöglicht, das die durch Reizung hervorgerufenen Hirnpotentiale sich von der oft um ein mehrfaches höheren Aktivität des Elektroenzephalogramms abheben. Üblicherweise werden folgende afferent evozierte Potentiale routinemäßig gemessen:

  • die visuell evozierten Potentiale (VEP)
  • Typischerweise finden sich beim MS-Patienten aufgrund der durchgemachten De- und später Remyelinisierung eine Verzögerung der Reizantwort, die in Einzelfällen bis zu 70 ms über dem Normwert betragen kann. Die Methode der VEP hat einen besonders hohen Aussagewert, weil sie Läsionen nachweist, die sich der klinischen Untersuchung entziehen können.
  • akustisch evozierte Potentiale (AEP)
    - hat von diesen drei Methoden die geringste Aussagekraft. Die AEP-Veränderungen sind nicht MS spezifisch, sondern auch bei ischämischen Hirnstammveränderungen bzw. Tumoren im Hirnstamm können pathologische Veränderungen auftreten.
  • somatosensibel evozierte Potentiale (SSEP)

Typische Symptome

Die Multiple Sklerose ist eine komplexe Erkrankung, deren Symptome entweder durch Demyelinisierung mit Leitungsverlangsamung, Leitungsblock oder durch einen axonalen Schaden ausgelöst werden. Häufige (Früh-)symptome der MS sind:
Sehstörungen/Okulomotorik
Paresen
Parästhesien
Ataxie
Bei 60% der Patienten: urologische Störungen
episodische Dysarthrie
neuralgiforme Schmerzen (Trigeminusneuralgie) oder
tonische Hirnstammanfälle


Häufig klagen die Patienten gerade zu Beginn eines neuen Schubes auch über unspezifische Allgemeinbeschwerden wie Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Kennzeichnend für MS-Patienten ist das sogenannte Uhthoff-Phänomen. Bei erhöhter Körpertemperatur oder Außentemperatur kommt es zu einer Leitungsverschlechterung der Nervenbahnen. Das kann sogar dazu führen, daß sich der Betroffene nicht mehr allein aus der heißen Badewanne erheben kann. Diese Symptome sind allerdings nur vorübergehend und klingen innerhalb kurzer Zeit wieder ab, ohne Schäden zu hinterlassen. Bei Patienten mit schwerer Behinderung führen oft (leichte) grippale Infekte oder Blasenentzündungen zu einer ausgeprägten, aber vorübergehenden Verschlechterung. Häufig stellt sich – vor allem nach längerem Krankheitsverlauf – eine insgesamt verminderte Leistungsfähigkeit und verstärkte Müdigkeit ein, welche von einer auch oft vorhandenen depressiven Verstimmung abgegrenzt werden muß. Aus kernspintomographischen Untersuchungen weiß man, das eine relativ gute Korrelation dieser unspezifischen Symptome mit dem Ausmaß der Läsionen im kranialen Kernspintomogramm besteht. Depressive Symptome treten bei MS-Patienten deutlich häufiger als bei direkten Familienangehörigen oder in der Kontrollbevölkerung auf. In seltenen Fällen können schmerzhafte Mißempfindungen im Vordergrund der Symptomatik stehen. Diese führen oft zu jahrelangen diagnostischen Irrwegen, bis die Diagnose gestellt werden kann. Dies gilt auch für andere, ungewöhnliche klinische Manifestationen der Erkrankung.

Prognose
 
Mehrere Faktoren müssen für die prognostische Einordnung miteinbezogen werden: Als besonders ungünstig gelten motorische oder zerebelläre Zeichen, die bereits bei der ersten Vorstellung evident sind, ein kurzes Intervall zwischen den beiden ersten Schüben sowie eine schlechte, inkomplette Rückbildung nach dem Schub. Ebenso haben Patienten, die bereits bei der ersten Vorstellung multiple Läsionen im kraniellen NMR zeigen, eine schlechtere Prognose.
Prognostisch günstige Faktoren:


  • erhaltene Gehfähigkeit
  • ein Alter von unter 35 Jahren bei Beginn der Erkrankung
  • monosymptomatischer Beginn
  • kurze Dauer des letzten Schubes
  • nur sensible Symptome
Prognostisch ungünstige Faktoren:

  • frühe motorische oder zerebelläre Zeichen
  • rasche initiale Schubfolge
  • lange Dauer des Schubes
  • schlechte Rückbildung nach den ersten Schüben
  • initial multiple NMR-Läsionen
  • Alter bei Erkrankungsbeginn
Heutzutage geht man davon aus, daß die allgemeine Lebenserwartung allenfalls um etwas weniger als 10 Jahre reduziert ist.


Immunpathologie und Pathogenese

Durch die Weiterentwicklung hochauflösender morphologischer Untersuchungstechniken, durch neue immunhistochemische Färbemethoden und molekularbiologische Ansätze konnte die histopathologisch orientierte Forschung nach Jahren fast völliger Stagnation in den letzten zwei Jahrzehnten einen enormen Wissenszuwachs erlangen. Mittlerweise ist deutlich geworden, daß die MS zwar grundsätzlich als Paradigma die demyelisierende Läsion hat, aber daß in vielen Läsionen auch ein relativ ausgeprägter axonaler Schaden hinzukommt. Nach makroskopisch-pathologischen Aspekten wurde die Pathologie des Zentralnervensystems bei der MS schon zu Beginn des Jahrhunderts ausführlich beschrieben. Durch die Demyelinisierungsherde kommt es zu einer Schrumpfung der betroffenen Regionen, so daß bei chronischen Verläufen grundsätzlich alle Bestandteile des Zentralnervensystems schwere athrophische Veränderungen aufweisen können.
Die essentiellen Läsionen im Gehirn von MS-Patienten sind die großflächigen, disseminiert verteilten Entmarkungsherde, die sogenannten Plaques. Makroskopisch erscheinen die Plaques bei chronischer, nicht rasch fortschreitender MS als grauweißliche, gut abgegrenzte (aktive Entmarkungsherde sind weniger scharf abgegrenzt und von ihrer Struktur nicht ganz so kompakt wie bei chronischen Plaques), runde bis vieleckige und häufig konfluierende Herde. Oft sind sie im Rückenmark am Sektionspräparat sogar mit dem bloßen Finger als Verhärtung (“Sklerose”) zu tasten. Plaques können überall in der grauen und weißen Substanz des Gehirns und des Rückenmarkes auftreten. Je nach dem wo sie lokalisiert sind kommt es zum Auftreten von unterschiedlichen Symptomen oder Ausfallserscheinungen.


Zur Therapie der Multiplen Sklerose

1. Cortison (Glukokortikosteroide)

 
Auch heute noch gilt die Behandlung mit Cortison im akuten Schub als Mittel der Wahl. Das liegt an den vielfältigen Wirkungsmechanismen. Einerseits besteht eine antiödematöse (abschwellende, “gegen Wasseransammlungen im Gewebe” gerichtete) Wirkung, andererseits – und das ist der Hauptaspekt – wirkt Cortison immunsupressiv hinsichtlich humoraler und zellulärer Immunprozesse. Aufgrund der doch zahlreichen Nebenwirkungen von Cortison in der Dauertherapie (erhöhte Osteoporosegefahr, vermehrte Infektionsneigung, artielle Hypertonie, Ödeme, teils euphorisierende, teils aber auch schwer depressive Wirkung etc.), ist man dazu übergegangen die intravenöse Stoßtherapie durchzuführen. Dabei werden 5 x 500 bis 1000 mg Cortison verabreicht auch Gaben von 2000 mg pro Einheit sind mittlerweile üblich. Die allgemeine Verträglichkeit dieser Infusionstherapie mit oder ohne ausschleichende orale Gabe, ist deutlich höher als die orale Langzeittherapie. Heutzutage ist es auch nicht mehr zwangsläufig notwendig für die Infusionstherapie ins Krankenhaus zu müssen. Viele Hausärzte oder Neurologen führen die Cortisonbehandlung auch ambulant durch.


2. Immunmodulierende Therapie


Die neuen Medikamente Interferon-ß (IFN-ß)1b und IFN-ß1a greifen bei der Immunmodulation an, also bei der Wechselwirkung der Immunzellen untereinander. Mit dem selben Mechanismus wirkt auch das dritte neue Präparat, Copolymer-1 (COP-1). Diese Substanzen wurden in multizentrischen Studien plazebokontrolliert getestet. Sie haben nach den bisher vorliegenden Studienergebnissen eine stärker schubreduzierende Wirkung als bisher eingesetzte Immunsupressiva (z.B. Imurek ®).
Interferone sollen bei Patienten mit schubförmigen Krankheitsverläufen zum Einsatz kommen, die mindestens zwei Schübe während eines Zeitraumes von zwei Jahren erlitten haben. Die Patienten sollen noch gehfähig sein.

1. Interferon ß

IFN-ß zählt zu den Zytokinen, den interzellulären Botenstoffen des Immunsystems, und wird auch natürlicherweise im Organismus produziert. Die Wirkmechanismen sind wahrscheinlich für beide Interferone vergleichbar, aber vor allem für IFN-ß1b untersucht worden. Ich möchte hier nur einige wenige dieser Wirkmechanismen nennen:

  • IFN-ß besitzt blockierende Effekte gegenüber schubauslösenden Zytokin IFN-y,
  • Verbessert die Suppressorfunktion von T-Zellen,
  • Vermindert die Lymphozytenwanderung
Interessanter eigentlich sind die Studienergebnisse. In der multizentrischen amerikanischen IFN-ß Studie erhielten 372 Patienten mit schubförmig verlaufender MS jeden zweiten Tag subkutan entweder 8 Mio. IU IFN-ß1b (in Deutschland Betaferon ®, Schering AG), 1,6 Mio. IU IFN-ß1b oder Plazebo.

1. Interferon

In einer multizentrischen plazebokontrollierten Studie mit IFN-ß1a (Avonex ®, Fa. Biogen) in den USA behandelte man 301 Patienten mit 6 Mio. IU IFN-ß1a i.m. einmal wöchentlich oder mit Plazebo.
Ergebnisse:

  • Nach 2 Jahren Behandlung schnitten die behandelten Gruppen in Hinblick auf Schubfrequenz 30% besser als die Plazebogruppe ab
  • Für IFN-ß1b gibt es auch Ergebnisse, die eine Reduktion der Schwere der Schübe belegen
  • Die kernspintomographisch nachgewiesene Krankheitsaktivität nahm mit beiden Substanzen deutlich ab
  • Für das Ausmaß der Behinderung zeichnete sich schon in der kurzen Zeit für alle IFN-ß Präparate zumindest ein Trend zugunsten der Behandlungsgruppen ab
etc.

Und sogar für die chronisch-progrediente Form gibt es erste Studien, die durchaus vielversprechend sind.


Nebenwirkungen

Für alle Interferonpräparate gilt, dass zu Beginn der Behandlung mit leichten bis mittelschweren Komplikationen zu rechnen ist. Allerdings sind nach den bisherigen Erfahrungen ernste Nebenwirkungen seltener, als man von den Studienergebnissen erwartet hätte. Initial ist häufig das Auftreten von grippeähnlichen Symptomen, die allerdings nur bei wenigen Patienten länger andauern. Die Betroffenen klagen über ein allgemeines Krankheitsgefühl, Kopfschmerzen, vermehrte Ermüdbarkeit und Fieber. Diese Symptome lassen sich jedoch durch die Gabe von z.B. Ibuprofen oder Diclofenac gut lindern. Kurzzeitig kann es bei den Laborparametern zu einer vorübergehenden leichten Absenkung der weißen Blutkörperchen kommen.

Bei dem subkutan verabreichten IFN- ß 1b und IFN- ß 1a (Rebif ®, Fa. Serono) kann es zu Entzündungen an der Einstichstelle, ja sogar zu aseptischen Hautnekrosen kommen. Durch das Auflegen einer Kühlpackung vor der Injektion sowie das Anwärmen der Injektionslösung kann die Verträglichkeit verbessert werden. Außerdem sollte die subkutane Injektionstechnik streng beachtet werden. In einer Studie sind depressive Symptome häufiger vorgekommen als in der Plazebogruppe. Grundsätzlich muß auch noch nach längerer Behandlungsdauer mit Interferonen mit dem Auftreten von depressiven Symptomen bis hin zur Selbstmordgefährdung gerechnet werden. Im Blutserum kann es bei einer Behandlung mit Interferonen zum Auftreten von Antikörpern kommen, die die biologische Wirkung von IFN- ß reduzieren können. Man spricht dann von neutralisierenden Antikörpern. Beim Patienten würde es zunächst unter der Behandlung mit von IFN- ß zu einer deutlichen Verbesserung kommen. Aber nach einigen Monaten kommt es plötzlich wieder zu einer Erhöhung der Schubrate. In diesem Fall sollte man den Antikörperspiegel kontrollieren.


2. Copolymer 1 (Glatiramerazetat)

Copylemer 1 (COP-1), ein synthetisches Tetrapeptid, besteht aus 4 Aminosäuren:

  • L-Glutaminsäure
  • L-Lysin
  • L-Alanin und
  • L-Tyrosin
Der neuere Substanz- und Produktname Glatiramerazetat für COP-1 ergibt sich aus den Anfangsbuchstaben der Aminosäuren. Als wahrscheinlichsten Wirkmechanismus nimmt man die Blockade von Bindungsstellen für MBP an MHC-Klasse-II Molekülen auf antigenpräsentierenden Zellen an. Erfolgsversprechend erscheinen auch hier die Studienergebnisse. In der doppelblind und placebokontrollierten Copolymer-1-Studie in den USA erhielten 251 Patienten täglich 20 mg Copolymer als subkutane Injektion oder Plazebo. Nach 2 Jahren zeigte sich in der COP-1 Gruppe:

  • eine signifikant niedrigere Schubrate als in der Plazebo-behandelten Gruppe, vergleichbar zum Effekt der Interferone
  • Eine Subgruppenanalyse ergab allerdings, dass die weniger beeinträchtigten Patienten die stärkste Verringerung der Schubrate aufwiesen und somit wohl am stärksten von der Therapie profitierten.
  • Bezüglich des ursprünglich beabsichtigten Studienziels, nämlich dem Aufhalten der Krankheitsprogression, wurde nur ein minimaler Effekt gefunden.
Nebenwirkungen

Insgesamt wurde COP-1 besser vertragen als die Beta-Interferone. Gelegentlich traten “systemische Postinjektionsreaktionen”,oft verbunden mit Luftnot und Herzrasen auf. Diese hielten nach Angaben der Patienten zwischen 30 sec. und 30 min. an und klangen in allen Fällen ohne Folgen ab. Bei den Patienten wurden erhöhte Blutwerte für bestimmte Eiweißstoffe, wie z.B. Immunglobulin G, festgestellt, ohne dass deren Bedeutung bekannt ist.



Mitixantron


Mitoxantron ist als Zytostatikum in der Behandlung von Tumorerkrankungen etabliert. Die Wirksamkeit in der Therapie der Multiplen Sklerose wurde in drei Klasse-I Studien neueren Datums nachgewiesen.
Mitoxantron kann die Häufigkeit der Schübe reduzieren und das Fortschreiten der Erkrankung verhindern.
In Deutschland ist das Mitoxantron für die Behandlung von MS mit progressiv-schubförmigem oder sekundär-progredientem Verlauf zugelassen, wenn es zu einem Therapieversagen mit Interferon oder anderen Immunmodulatoren gekommen ist. Diese Behandlungsphase nennen Mediziner “Eskalationstherapie”.
Die Gabe wird intravenös verabreicht wobei die Herz, Leber und Nieren regelmäßig untersucht werden. Es handelt sich auch um eine sogenannte Lebensdosis die allerdings in mehreren Schritten verabreicht werden kann.


Teriflunomid (Aubagio®) 
 Aubagio ist seit August 2013 für Erwachsene mit schubförmig-remittierender Multipler Sklerose zugelassen. Es ist als Tablette erhältlich, die einmal täglich eingenommen wird. Zu Beginn der Behandlung sind regelmäßige Blutabnahmen zur Kontrolle der Leberwerte notwendig. 
Sehr häufige Nebenwirkungen:
Grippe, Infektion der oberen Atemwege, Harnwegsinfektion, nervliche Missempfindung, Durchfall, Übelkeit, Haarausfall, erhöhter Leberwert


Tecfidera (Dimethylfumarat)


Das Medikament ist zugelassen zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit schubförmig remittierender Multipler Sklerose. Tecfidera® ist ebenfalls als Tablette erhältlich. PML scheint bisher sehr selten vorzukommenen, es sind vor allem Magen-Darmprobleme und sog. Flushs recht häufig. Das Blut muss regelmäßig überprüft werden.


Alemtuzumab (Lemtrada®)

 Das Medikament steht seit September 2013 zur Verfügung. Zu Beginn der Behandlung erhält der Patient an fünf aufeinanderfolgenden Tagen je eine Infusion mit.. Der nächste Infusionszyklus erfolgt dann ein Jahr später an drei aufeinanderfolgenden Tagen. 
Auf diese Weise kann die Krankheitsaktivität bei vielen Patienten für lange Zeit unterdrückt werden. Allerdings können bei Lemtrada® schwerwiegendere Nebenwirkungen auftreten als bei den älteren Medikamenten. So kommt es bei etwa ¼ der Patienten zu Schilddrüsenerkrankungen, die wiederum medikamentös behandelt werden müssen. 


Tysabri (Antegren, Natalizumab) 

Natalizumab soll die Wanderung von Entzündungszellen (autoaggressive weiße Blutkörperchen) aus den Blutgefäßen zu den Orten der Entzündung verhindern. Dabei wirkt Natalizumab an der Blut-Hirn-Schranke. Natalizumab ist ein “monoklonaler Antikörper”. Es blockiert Rezeptoren auf der Zelloberfläche von Immunzellen, die für den Übertritt aus den Blutgefäßen in Entzündungsregionen von Bedeutung sind. Diese Blockade hindert die Immunzellen an ihrer Einwanderung ins ZNS. Man nimmt an, dass damit die Bildung neuer Entzündungsherde im ZNS verhindert werden. In einer Phase III-Studie wird momentan untersucht, ob Antegren die Schübe über längere Zeiträume reduzieren kann, bzw. die Behinderungszunahme verlangsamt wird. Die Studie soll ein Jahr dauern.
Das amerikanische Biotechnologie-Unternehmen Biogen Idec Inc. und der größte irische Pharmakonzern Elan Corp. plc erhielten von der US-Gesundheitsbehörde FDA die Marktzulassung für ihr gemeinsam entwickeltes Multiple Sklerose-Medikament Antegren. Die Food and Drug Administration bestätigte die Zulassung des Präparats, nachdem das Methodist Hospital in Houston vorab über die Zulassung von Antegren berichtet hatte. Das Arzneimittel wurde ferner von Antegren in Tysabri umbenannt. Der Antrag auf Marktzulassung in den USA zur Behandlung der chronischen Entzündungskrankheit des zentralen Nervensystems wurde im Mai 2004 eingereicht. Antegren ist der erste Inhibitor in der neuen Wirkstoffklasse Selektive Adhäsions-Molekül-Inhibitoren (SAM-Inhibitoren).
2004 wurde das Mittel in den USA dann auch erstmals zugelassen. Aber 2005 hatten die Unternehmen Biogen und Elan den Vertrieb gestoppt, nachdem zwei Patienten an einer seltenen Infektion des Nervensystems gestorben waren. Sie hatten Tysabri in Verbindung mit einem Interferon erhalten.
Kürzlich hat die FDA erneut ihre Genehmigung erteilt, die Europäische Kommission folgte Ende Juni. Die Zulassung gilt nur für die Monotherapie. Es ist für Patienten geeignet, die bei den bekannten Basistherapien ein Therapieversagen haben und unter hoher Krankheitsaktivität leiden.


Fingolimod (Gilenya)

Das Medikament ist ein Rezeptorblocker, der nach Einnahme verhindert, dass die körpereigenen Abwehrzellen in das Blut freigesetzt werden. Die Ersteinstellung auf das Medikament erfolgt unter 6-stündlicher Kontrolle des Herzrhythmus. Gilenya ist seit 2011 zur Therapie der hochaktiven schubförmigen MS zugelassen. Es wird einmal täglich eingenommen. 


 

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